60 Minuten, davon je fünf zur persönlichen und zur parteipolitischen Vorstellung – so lautete die Devise am Nachmittag. Einig waren sich die Politiker danach zumindest darüber, dass es nicht leicht sei, in einfacher Sprache Zusammenhänge zu erläutern. Dennoch funktionierte es bestens. Die Bundestagskandidaten Axel Müller (CDU), Heike Engelhardt (SPD), Agnieszka Brugger (Bündnis 90/ Die Grünen), Benjamin Strasser (FDP) und Manuel Ricart Brede als Vertreter für Jasmin Runge, der Kandidatin der Linken, nahmen an den Schulbänken Platz. „Den Kandidaten der AfD haben wir eingeladen, aber keine Rückmeldung erhalten“, sagte Helmut Müller, Gesamtleiter der St. Jakobus-Behindertenhilfe auf Nachfrage zur Besetzung.
Die Kandidaten erzählten über ihre Beweggründe, zu kandidieren, ihre Arbeit und ihre politischen Ziele. Ob die von der CDU geplante Steuersenkung (Müller: „Wir wollen, dass die Menschen mehr von ihrem Geld haben.“), Bruggers Nein zum Waffenexport („Ich finde, dass Deutschland nicht so viele Waffen in die Welt verkaufen sollte“) oder Engelhardts Ausführungen zu Gerechtigkeit und Solidarität („Wie in einer Familie passen alle aufeinander auf, halten zusammen und helfen, wenn jemand was nicht so gut kann.“) – alles ließ sich auf einfache Art und Weise erläutern.
Vom „Abbau von Hindernissen in Bus und Zügen“ sprach Brede, vom „ungenügenden Netz fürs Handy“, „schlechten Straßen“ und „Abbau des Riesenschuldenberges“ Strasser. Auch Teilhabe, Natur- und Umweltschutz, Landwirtschaft, Flüchtlinge, Europa, gerechte und gute Entlohnung, Bildungsinvestitionen, Friede und Freiheit waren Themen, die die Politiker ins Gespräch brachten. Danach war es an den Menschen mit Handicap, ihre Probleme und Fragen zu schildern. Unter anderem bemängelten sie die nicht freie Fahrt bei Reisen mit dem ICE.
Kandidaten und ihre Intentionen
Ortswechsel: Gut eine Stunde später ging es dann hinüber in die Stadthalle zum Wangener Wirtschaftskreis (WaWi). „Unser Ziel ist es, dass wir die Kandidaten und ihre Intentionen persönlich kennenlernen“, sagte Frank Scharr, neben Marcus Eberlei und Thomas Heine Hauptinitiator der WaWi-Podiumsdiskussion. Der Stuhl für die eigentlich angekündigte Jasmin Runge wurde abgeräumt.Inmitten der vier Kandidaten von CDU, FDP, Grünen und SPD nahm an der zweiten Stätte Helmut Dietz von der Alternative für Deutschland (AfD) Platz. „Eingeladen haben wir jene Kandidaten, deren Parteien berechtigte Chancen haben, in den Bundestag einzuziehen“, erklärte Scharr – und betonte daneben die politische Unabhängigkeit des Wangener Wirtschaftskreises, der auch keine Ausgrenzung wolle.Die „Spielregeln“ sahen hier jeweils zehnminütige Statements und in einem zweiten Teil Fragen an die Kandidaten in bestimmten Themenbereichen vor.
Moderatorin Katrin Ziegler war es, die gleich zu Beginn danach fragte, wie viele Zuhörer sich entschieden hätten oder noch unentschlossen seien. Augenscheinlich sah es nach etwa einer Drittelung zwischen diesen beiden Gruppierungen und jener, die weder das eine noch das andere bekundeten, aus.Mit Ausnahme von Helmut Dietz gab es in persönlichen Statements nur wenig Überraschendes und bekannte Schwerpunkte. Dietz begann mit einer seiner Meinung nach notwendigen Richtigstellung zur Podiumsdiskussion der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung Ravensburg, in der sich Heike Engelhardt über die am selben Tag gehaltene Rede von AfD-Landtagsabgeordneten Rainer Podeswa zur Hexenverfolgung und der empfohlenen „Hexenhammer-Lektüre“ echauffierte: „Frau Engelhardt behauptete, die AfD würde zur Hexenverfolgung aufrufen. Was natürlich in keinster Weise der Wahrheit entspricht. Ich möchte Frau Engelhardt bitten, für zukünftige Aussagen sich erst einmal richtig zu informieren, bevor sie solche unterirdischen Behauptungen aufstellt.“
Erst danach referierte Dietz wie alle anderen Kandidaten über Verkehrswege und Mobilität, Kommunikation und Innovation, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Bürokratieabbau sowie Bauförderung und Umweltkonzepte (siehe weiterer Artikel auf Seite 18).Kritik musste Dietz später aber auch selbst einstecken, als er behauptete, Wind- und Solarkraft sei nur bedingt einsetzbar und versorgungsgefährdend und die herkömmliche Stromversorgung mit Atom- und Kohlestrom daher unersetzlich. Darüber hinaus will er erfahren haben, dass Atomkraftwerks-Abfälle wieder verwendet werden können. „Das sind einfach alternative Fakten“, sagte Grünen-Bundestagsabgeordnete und –kandidatin Agnieszka Brugger: „Atommüll kann man nicht recyceln. Das, was Sie gesagt haben, stimmt einfach von vorne bis hinten nicht.“ Als Katrin Ziegler knapp drei Stunden nach Veranstaltungsbeginn die Frage nach den nun für die Wahl Entschiedenen noch einmal stellte, meldete sich eine Person. „Umentschieden“ hatte sich niemand.